Fassade eines Gerichtsgebäudes

Prozesskostenhilfe: Was ist das und wofür brauche ich sie?

Für Menschen mit wenig Geld ist es schwierig, einen Gerichtsprozess, einen Anwalt oder eine Anwältin zu bezahlen. Deswegen gibt es in Deutschland die Prozesskostenhilfe. Mit der Prozesskostenhilfe können Menschen mit wenig Geld die Kosten für einen Gerichtsprozess und einen Anwalt bezahlen. 

Was ist Prozesskostenhilfe?

Jeder Mensch soll für sein Recht vor Gericht ziehen können. Doch das kostet Geld. Damit wirklich alle Menschen sich für ihr Recht einsetzen können, gibt es die Prozesskostenhilfe. 

Die Prozesskostenhilfe ist eine staatliche Unterstützung für Menschen, die wenig Geld oder Vermögen haben. Diese Menschen bekommen Prozesskostenhilfe entweder als Zuschuss oder als Kredit. Zuschuss bedeutet, dass der Staat die Kosten übernimmt und nichts zurückgezahlt werden muss.

Wenn Sie Prozesskostenhilfe bekommen wollen, dann müssen Sie einen Antrag stellen. Wird der Antrag bewilligt, zahlt der Staat die Kosten für Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin. Außerdem bezahlt der Staat auch die Porto- und Fahrtkosten, die Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin hat. Und der Staat bezahlt auch die Kosten für das Gerichtsverfahren.

Wer kann Prozesskostenhilfe bekommen?

Menschen mit wenig Geld, die

  • eine Anwältin oder einen Anwalt brauchen und
  • vor Gericht klagen wollen.
Besonderheit bei einer Klage vor dem Sozialgericht
Vor dem Sozialgericht geht es zum Beispiel um die Bewilligung von für Menschen mit Behinderung. Wenn Krankenkassen, Rentenversicherungen oder andere Behörden Ihren Antrag auf ein Hilfsmittel ablehnen, können Sie eine Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Wenn Sie eine Klage vor dem Sozialgericht einreichen, entstehen normalerweise keine Kosten für das Gerichtsverfahren. Bei Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht bezahlt die Prozesskostenhilfe also nur die Kosten für Ihre Anwältin oder Ihren Anwalt. Im Familienratgeber-Artikel Klage vor dem Sozialgericht lesen Sie mehr zum Thema Sozialgericht.
Besonderheit bei Gerichtsverfahren vor dem Familiengericht
Vor dem Familiengericht finden zum Beispiel Scheidungen statt. Die Prozesskostenhilfe heißt bei Verfahren vor dem Familiengericht Verfahrenskostenhilfe.

Warum gibt es die Prozesskostenhilfe?

Der Staat möchte mit dieser Unterstützung dafür sorgen, dass auch Menschen mit wenig Geld vor Gericht für ihr Recht klagen können. In Deutschland soll es so für alle Menschen möglich sein, Hilfe bei einem Anwalt oder einer Anwältin zu holen und Klage einzureichen.

Wie bekomme ich Prozesskostenhilfe?

Sie müssen einen Antrag stellen. Wenn Sie schon einen Anwalt oder eine Anwältin haben: Dann kann diesen Antrag auf Prozesskostenhilfe kann auch Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin stellen. Zum Antrag gehören meistens noch weitere Unterlagen: zum Beispiel eine Kopie Ihres - oder -Bescheids.

Wenn Sie alle Unterlagen für den Antrag beisammen haben, dann schicken Sie die Unterlagen an das Gericht, das für Sie zuständig ist: zum Beispiel Amtsgericht, Familiengericht oder Sozialgericht. Sie können auch zum Gericht gehen und den Antrag persönlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts stellen.

Sie können in vielen Bundesländern den Antrag auf Prozesskostenhilfe ausfüllen und herunterladen.

Holen Sie sich Hilfe für den Antrag

Der Antrag für Prozesskostenhilfe ist nicht so einfach zu verstehen. Deswegen sollten Sie sich Hilfe holen. Sie können Hilfe bei einem Anwalt oder einer Anwältin oder anderen Beratungsstellen bekommen. Infos zu den verschiedenen Möglichkeiten der Beratung finden Sie im Familienratgeber-Artikel „Beratung und Vertretung bei Widerspruch und Klage“.

Übernimmt die Prozesskostenhilfe immer die gesamten Kosten für meinen Anwalt oder meine Anwältin?

Nein. Die Prozesskostenhilfe übernimmt nur Kosten, die nach der gesetzlichen Gebührenordnung abgerechnet werden. Verlangt Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin mehr Geld, müssen Sie selbst diese Kosten bezahlen. 

Besonderheit: Prozesskostenhilfe bei einer Klage vor dem Sozialgericht

Ein Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht kostet normalerweise für Sie nichts. 

Prozesskostenhilfe können Sie also nur dann stellen, wenn Sie schon einen Anwalt oder eine Anwältin haben.

Am besten ist es, wenn Sie als erstes Beratungshilfe bei einem Amtsgericht beantragen. Lesen Sie dazu mehr im Familienratgeber-Artikel „Beratung und Vertretung bei Widerspruch und Klage“

Von der Beratungshilfe zur Prozesskostenhilfe:

1. Sie haben Probleme mit einem Bescheid oder einem Widerspruch von einer Versicherung, einem Amt oder einer Behörde. Sie haben zum Beispiel einen Antrag auf eine Kur gestellt und die Versicherung hat ihn abgelehnt. Damit sind Sie nicht einverstanden.

2. Suchen Sie sich Beratung: Sprechen Sie am besten als erstes mit kostenlosen Beratungsstellen, wie zum Beispiel einer EUTB-Beratungsstelle. Dort bekommen Sie keine Rechtsberatung aber Sie können Tipps bekommen: zum Beispiel, wo es Rechtsberatung in der Nähe gibt. Oder ob es einen Selbsthilfe-Verein gibt, der sich gut mit Ihrer Behinderung auskennt.

3. Durch die Beratung wissen Sie jetzt schon viel mehr und können Beratungshilfe bei einem Amtsgericht beantragen. Erfüllen Sie die Voraussetzung für die Beratungshilfe, bekommen Sie sofort einen Beratungsschein. Achtung: Beratungshilfe können Sie nur bekommen, wenn Sie noch keine Klage eingereicht haben.

4. Mit dem Beratungsschein suchen Sie sich jetzt einen Anwalt, der nach der gesetzlichen Gebührenordnung abrechnet. Die Beratung bei so einem Anwalt oder so einer Anwältin ist für Sie kostenlos.

5. Nach der Beratung beim Anwalt oder der Anwältin wird Ihnen vielleicht klar, dass der Bescheid oder der Widerspruch nicht richtig ist. Sie wollen jetzt gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. Oder wenn Sie schon Widerspruch eingelegt haben: Jetzt wollen Sie Klage vor dem Sozialgericht einreichen.

6. Je nachdem, in welcher Situation Sie sind, geht es so weiter:

Sie wollen Widerspruch einreichen: Der Anwalt oder die Anwältin hilft Ihnen dabei, Widerspruch einzulegen.

Sie haben schon Widerspruch eingereicht, doch auch der Widerspruch wurde abgelehnt. Jetzt wollen Sie Klage einreichen: Der Anwalt oder die Anwältin hilft Ihnen dabei, Prozesskostenhilfe zu beantragen.

7. Sie bekommen Prozesskostenhilfe für Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin. Jetzt bezahlt die Prozesskostenhilfe auch die Kosten für den Anwalt oder die Anwältin, wenn Sie Klage vor dem Sozialgericht einreichen.

Im Familienratgeber-Artikel Klage vor dem Sozialgericht lesen Sie mehr zum Thema Sozialgericht.

Muss ich Auskunft über meine Finanzen geben?

Ja. Denn die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hängt davon ab, wie viel Geld Sie haben. Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe müssen Sie eine Selbstauskunft über Ihr Einkommen und Vermögen abgeben. Dazu müssen Sie ein Formular ausfüllen. Das Formular können Sie beim Bundesministerium für Justiz herunterladen

Was zählt zu meinem Einkommen und Vermögen?

Zu Ihrem Einkommen zählen zum Beispiel:

  • Gehalt, Lohn
  • Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit
  • Kapitalerträge, wie Zinsen, Dividenden, Mieteinnahmen
  • Zahlungen vom Staat, wie Arbeitslosengeld oder

Zu Ihrem Vermögen zählen zum Beispiel

  • Konten aller Art: Sparkonten, Girokonten, Tagesgeldkonten
  • Aktien
  • Geld aus Lebensversicherungen

Das Geld aus einer Rentenversicherung gilt nur manchmal als Vermögen. Wenn Sie das Geld einer Rentenversicherung zum Leben dringend brauchen, zählt es nicht als Ihr Vermögen. Dringend zum Leben brauchen bedeutet: Ohne das Geld aus der Rentenversicherung müssten Sie Sozialhilfe beantragen.

Ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung zählen nicht zu Ihrem Vermögen.

Formular ehrlich ausfüllen

Füllen Sie die Erklärung über Ihr Einkommen und Vermögen vollständig und ehrlich aus. Das Gericht prüft, was Sie in das Formular schreiben.

Können alle Menschen mit wenig Geld Prozesskostenhilfe bekommen?

Nein. Sie bekommen keine Prozesskostenhilfe, wenn

  • Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, die die Kosten für ein Gerichtsverfahren und eine Anwältin oder einen Anwalt übernimmt.
  • Sie Mitglied in einer Gewerkschaft, einem Berufsverband, einem Mieterverein oder einer ähnlichen Organisation sind, die die Kosten für ein Gerichtsverfahren und eine Anwältin oder einen Anwalt übernimmt. 
  • Ihr Ehemann oder Ihre Ehefrau genug Geld oder Vermögen hat, um die Kosten zu bezahlen. 
  • Ihr eingetragener Lebenspartner oder Ihre eingetragene Lebenspartnerin genug Geld oder Vermögen haben, um die Kosten zu bezahlen.

Es kommt auch darauf an, ob Sie zahlen müssen, wie viele Kinder Sie haben, ob Sie alleine wohnen oder in einem 5-Personen-Haushalt.

Wenn Sie Zweifel haben, können Sie trotzdem einen Antrag stellen. Ein Versuch ist es immer wert.

Erfolgsaussichten für ein Gerichtsverfahren: Warum ist das so wichtig?

Das Gericht prüft bei einem Antrag auf Prozesskostenhilfe immer die Erfolgsaussichten für ein Gerichtsverfahren. Denn: Das Gericht bewilligt die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn Sie gute Erfolgsaussichten haben. Erfolgsaussichten bedeutet: Wie gut sind Ihre Chancen, das Gerichtsverfahren zu gewinnen? Haben Sie gute Chancen das Gerichtsverfahren zu gewinnen, dann bekommen Sie Prozesskostenhilfe. Haben Sie schlechte Chancen, das Gerichtsverfahren zu gewinnen, dann bekommen Sie keine Prozesskostenhilfe. Schlechte Chancen haben Sie zum Beispiel, wenn Sie keine guten Gründe für Ihre Klage haben.

Welche Kosten übernimmt die Prozesskostenhilfe?

Die Prozesskostenhilfe übernimmt die Kosten für

  1. Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin
  2. das Gerichtsverfahren
  3. ein Berufungsverfahren, falls Sie nach dem ersten Gerichtsverfahren Berufung einlegen.

Besonderheit bei einer Klage vor dem Sozialgericht:

Das Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht ist in den meisten Fällen für Sie kostenlos. Deswegen müssen Sie erst einen Anwalt oder eine Anwältin beauftragen und dann Prozesskostenhilfe beantragen. 

Im Familienratgeber-Artikel „Klage vor dem Sozialgericht“ lesen Sie mehr zum Thema Sozialgericht.

Was mache ich, wenn ich wenig Geld habe aber zu viel für die Prozesskostenhilfe?

Sie können trotzdem einen Antrag auf Prozesskosten stellen. Vielleicht bekommen Sie dann Prozesskostenhilfe als Kredit.

Es kann sein, dass Sie nur ein bisschen mehr verdienen als Menschen, die Prozesskostenhilfe bekommen. Für Sie ist es dann sehr schwer, das Gerichtsverfahren und einen Anwalt oder eine Anwältin zu bezahlen.

Deswegen können Sie die Prozesskostenhilfe als Kredit bekommen. Das Gericht prüft, ob Sie Prozesskostenhilfe 

  • nicht bekommen
  • zum Teil bekommen
  • als Kredit bekommen, den Sie in Raten zurückzahlen müssen. 

Mehr Informationen zur Prozesskostenhilfe als Kredit auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz.

Ich bekomme die Prozesskostenhilfe nur als Kredit: Wie muss ich den Kredit zurückzahlen?

Es kommt darauf an, ob Sie den Prozess gewonnen oder verloren haben:

Prozess gewonnen
Dann müssen Sie den Kredit nicht zurückzahlen, sondern die Gegenseite. Wenn Sie zum Beispiel Klage gegen Ihre Krankenkasse eingelegt und den Prozess gewonnen haben: dann muss die Krankenkasse den Kredit zurückzahlen.
Prozess verloren

Sie zahlen in kleinen Raten vier Jahre lang den Kredit ab. 

Wenn Sie innerhalb dieser vier Jahre weniger Geld haben, dann können die Raten entfallen. Sie müssen die Raten dann nicht mehr zahlen. Dafür müssen Sie einen Antrag stellen. 

Wenn Sie innerhalb der vier Jahre mehr Geld haben: dann kann es sein, dass sie höhere Raten zahlen müssen. 

Mehr Informationen zur Prozesskostenhilfe als Kredit auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz.

Prozesskostenhilfe als Kredit: Wie teuer kann es für mich werden?

Wichtig: Sie bekommen Prozesskostenhilfe nur, wenn Sie gute Chancen haben, das Gerichtsverfahren zu gewinnen.

Gewinnen Sie das Gerichtsverfahren wirklich, müssen Sie nichts bezahlen. Auch wenn Sie die Prozesskostenhilfe als Kredit bekommen haben, müssen Sie nichts bezahlen. Denn die Gegenseite muss die Kosten für das Gerichtsverfahren, Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin bezahlen.

Verlieren Sie das Gerichtsverfahren, bezahlt die Prozesskostenhilfe als erstes die Kosten für das Gerichtsverfahren und Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin. Nach dem Gerichtsverfahren müssen Sie dann diese Kosten als Kredit abbezahlen. Und Sie müssen die Anwaltskosten der Gegenseite bezahlen.

Besonderheit Sozialgericht: Beim Sozialgericht gibt es eine Sonderregel: Auch wenn Sie verlieren, brauchen Sie die Kosten der Gegenseite nicht bezahlen. Lesen Sie dazu mehr im Familienratgeber-Artikel „Klage vor dem Sozialgericht“.

Tipp: Gesetzliche Gebühren

Wenn Sie Prozesskostenhilfe beantragen: Suchen Sie am besten nach einem Anwalt, der nach den gesetzlichen Gebühren abrechnet. Denn die Prozesskostenhilfe übernimmt nur Kosten in Höhe der gesetzlichen Gebühren. Verlangt Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin höhere Gebühren, müssen Sie diese Kosten selbst bezahlen.

Zuletzt aktualisiert am 21. Januar 2025

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